Flurfunk: Resteverwertung

Als Klaus Gremmel, eine Kaffeetasse in der Hand, die Teeküche betritt, wabert ihm schon der Dampf entgegen. Das Wasser im Kocher sprudelt wie wild, mit einem harten Klicken schaltet das Gerät ab. Gremmel ruft in den Flur: „Wer macht hier Kaffee? Das Wasser kocht!“

Die Kollegin Lena Mack eilt mit kurzen Schritten herbei. „Danke! Das geht aber auch schnell mit dem Kocher! Ich musste nur rasch ans Telefon.“ Sie schnauft heftig und gießt den Kaffee auf.

„Lange nicht gesehen, Frau Mack.“ Gremmel öffnet den Kühlschrank. „Auch wieder mal im Büro?“ -„Ja, erster Tag heute. Homeoffice ist ja erst einmal rum. Schade eigentlich.“

Gremmel holt eine Milchtüte aus dem Kühlschrank. „Ah, Sie haben die letzte Zeit von zuhause gearbeitet?“ – „Ja, klar. Sie nicht?“ – „Nee, ich hab ja ein Einzelbüro. Daheim kann ich mich nicht konzentrieren.“ Gremmel schüttet den Rest Milch in seine Tasse, schwenkt die Tüte, in der noch eine Pfütze hin- und herschwappt. Kaffeeduft steigt auf und zieht in den Flur.

Mack gießt erneut auf. „Bei mir klappt das ganz gut mit der Heimarbeit. Man hat eigentlich mehr Ruhe. Ich hab mindestens so viel weggeschafft wie im Büro.“

Gremmel winkt ab. „Jaja, schon klar. Also, ich würde dauernd etwas finden, das mich ablenkt: Küche aufräumen. Bücherschrank umsortieren. Papiere ordnen. Kann ja keiner kontrollieren, was einer daheim macht. Die Arbeitszeit wird ja so oder so gutgeschrieben.“ Er reißt die Tüte auf. Die letzten Tropfen rinnen in die Tasse.

Mack späht in den Filter, das Wasser ist fast ganz durchgelaufen. „Das meinen ja viele, dass die Leute im Homeoffice nichts arbeiten. Also, bei mir war‘s gerade andersrum.“ – „Wie, andersrum?“ Gremmel lässt den Deckel des Mülleimers hochklappen und schmeißt die Milchtüte hinein.

„Ja, wie Sie sagen: Fürs Homeoffice werden jeden Tag genau acht Stunden gutgeschrieben.“ Mack nimmt den Filter von der Kanne und wirft die Filtertüte in den Müll. „Das hat mir oft gar nicht für die Arbeit gereicht. Sie wissen doch, wie das ist: Man macht noch schnell eine Rechnung fertig, schreibt eine E-Mail, vergleicht die Zahlen, dann ruft jemand an, und zack!, schon sind zehn oder fünfzehn Minuten rum. Jeden Tag eine Viertelstunde, da kommt was zusammen! Das wird aber nicht gezählt.“

Gremmel nimmt mit gespitzten Lippen einen Schluck von seinem Kaffee, verzieht den Mund und begutachtet mürrisch den Inhalt der Tasse. „Da haben Sie unserem Dienstherren ja Arbeitszeit geschenkt!“

Frau Mack fischt eine Tasse aus dem Hängeschrank und schenkt sich Kaffee ein. „Ja klar. Was soll ich denn machen? Überstunden werden im Homeoffice nicht angerechnet.“ Sie greift sich eine Milchtüte aus dem Kühlschrank und schraubt den Deckel auf.

„Das dürfen Sie nicht machen, Frau Kollegin: Dem Betrieb Arbeitszeit schenken. Das dankt Ihnen keiner, dürfen Sie mir glauben!“

Mack schenkt Milch in ihre Tasse. „Sie haben ja völlig recht, aber jetzt ist es zu spät. Brauchen Sie noch Milch? Hier, ich habe gerade eine frische Tüte aufgemacht.“ Sie hält ihm die Milchtüte hin.

Gremmel strahlt. „Das ist aber nett – vielen Dank! Schön, dass Sie wieder da sind!“

Sie verschwinden beide in ihren Büros.

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