Interview mit der neuen Gewerkschaftssekretärin für den Fachbereich C, Mittelhessen
PUMA: Liebe Katharina, danke dass du die Zeit für das Interview genommen hast. Du bist ja mittlerweile nicht mehr ganz so neu bei ver.di, aber seit wann genau bist du denn bei ver.di?
Katharina: Ja, genau ganz neu bin ich nicht mehr. Ich habe am ersten April 2020 das Traineeprogramm bei ver.di begonnen, das über 18 Monate lief, und bin seit Oktober 2021 als Gewerkschaftssekretärin übernommen worden. Ich habe dann mit Peter zusammen an der Übergabe von Teilen seines Arbeitsbereichs gearbeitet.
PUMA: Also bist du seit Oktober Gewerkschaftssekretärin. Was ich dich daran gereizt Gewerkschaftssekretärin zu werden?
Katharina: Begonnen habe ich meine Arbeit bei „den Gewerkschaften“ nicht bei ver.di, sondern bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bremen. Die Bremer GEW hat damals bei der Bildungsinternationalen ein Projekt eingeworben. Bei diesem Projekt ging es darum die Situation für Kinder und Jugendliche mit Flucht-/Migrationshintergrund an Bremer Schulen zu verbessern. Also auf der einen Seite die Arbeitsbedingungen der zuständigen Lehrkräfte zu verbessern, auf der anderen Seite die Bildungspolitik des Landes zu beeinflussen, um Verbesserungen für diese Kinder und Jugendlichen zu erreichen. Daran habe ich fast vier Jahre gearbeitet.
PUMA: Und dann war für dich klar, dass du bei ver.di anheuern willst?
Katharina: Durch meine Arbeit bei der GEW war für mich klar, dass es mich sehr reizt weiter gewerkschaftlich zu arbeiten und das mit einer beständigeren Perspektive als Projektarbeit. Zusätzlich hat es mich gereizt für ver.di zu arbeiten, da ich bei der Arbeit für die GEW einige Punkte gesehen habe, die ich anders angegangen wäre. Deswegen ist eine Stelle als Gewerkschaftssekretärin bei ver.di sehr attraktiv.
PUMA: Durch deine Arbeit für die GEW bringst du einiges an Erfahrung mit wie die Zusammenarbeit in einer Gewerkschaft funktioniert, die doch recht anders aufgestellt ist als ver.di. Nun hast du schon Einblicke in die Struktur, Abläufe und Arbeit bei ver.di bekommen. Gibt es aus deiner Sicht Bereiche in denen ver.di sich etwas von der GEW abschauen kann?
Katharina: Ein Unterschied zwischen der GEW und ver.di ist sicherlich, dass die GEW einen stärkeren Fokus auf die Ehrenamtlichen hat. Es gibt bei der GEW weniger hauptamtliche Beschäftigte, die ausschließlich für die Gewerkschaft arbeiten. Häufig sind die Hauptamtlichen bei der GEW Personalräte, die für ihre Arbeitszeit aus den Schulen quasi „freigekauft“ werden. Das bedeutet, dass die Gewerkschaft stärker in den Dienststellen vernetzt und verankert ist. Dabei übernehmen die Ehrenamtlichen stärker Verantwortung für die Arbeit in der Gewerkschaft und eigenen sich Kompetenzen an. Hier sehe ich Potential für ver.di und auch meine Aufgabe unsere Ehrenamtlichen dazu zu befähigen die Gewerkschaftsarbeit in die eigene Hand zu nehmen.
Außerdem hat die GEW es geschafft sich einen Ruf als Expert*innen für Bildungspolitik zu erarbeiten. Das soll nicht heißen, dass es in ver.di keine Expert*innen für die verschiedensten Themen gäbe. Wenn ich zum Beispiel in eure und andere Betriebsgruppen schaue, dann sehe ich da eine große Expertise für die Hochschulpolitik. Ähnlich sieht es in den anderen Branchen aus, die in ver.di organisiert sind. Und obwohl ver.di diese breite Expertise mitbringt, wird ver.di in der Öffentlichkeit stärker als Organisatorin von Beschäftigteninteressen und starke Tarifpartnerin wahrgenommen. Diesen Fokus, der den Interessensgegensatz zwischen Beschäftigten und Arbeitgeber*innen in den Mittelpunkt stellt halte ich für sehr wichtig.
PUMA: Du hast schon erläutert, an was du inhaltlich bei der GEW gearbeitet hast und was dich daran gereizt hat Gewerkschaftssekretärin zu werden. Aber allgemeiner betrachtet, was ist es was dich politisch antreibt? Und was möchtest du konkret mit uns als Betriebsgruppe erreichen? Ich weiß, das sind eigentlich zwei Fragen, beantworte sie gern zusammen oder getrennt.
Katharina: Ich bin mit der GEW in Kontakt gekommen, als es an der Hochschule Proteste gegen die Streichung von Arbeits- und Studienplätzen gegeben hat. Damals war ich im AStA aktiv und wir haben die Proteste gegen die Kürzungen organisiert. Dabei haben wir uns mit der GEW vernetzt und gemeinsam den Protest auf die Straße getragen. Das war mein erster Berührungspunkt mit Gewerkschaften. Bis dahin hatte ich kaum Kontakt zu den DGB-Gewerkschaften. Die Arbeit, die die GEW und ver.di an den Hochschulen gemacht haben, hat mich überzeugt. Eigentlich komme ich aus der außerparlamentarischen Linken und habe neben der Bildungs- und Gewerkschaftspolitik, vor allem feministische und Antifapolitik gemacht.
PUMA: Und was willst du mit uns erreichen?
Katharina: Mit euch als Betriebsgruppe?
PUMA: Genau!
Katharina: Ich möchte vor allem, dass wir in den nächsten Tarifauseinandersetzungen stärker werden und dass Hochschulbeschäftigte zu einem relevanten Akteur innerhalb der Tarifbewegung werden. Mit der letzten Tarifrunde haben wir den Anfang geschafft, indem wir zum Beispiel das Thema Befristungen in die Diskussion gebracht haben, was in der Form ein Novum ist. Da müssen wir jetzt weitermachen. ver.di hat die Themen Befristung, Entlastung und Eingruppierung als zentrale Themen für Hochschulbeschäftigte identifiziert. Wenn wir auch zwischen den Tarifrunden Möglichkeiten und Verbesserungen erreichen wäre dies ein großer Erfolg. Auf Grund der aktuellen wirtschaftlichen Situation müssten wir aber natürlich dringend Lohnerhöhungen erreichen.
Genauso wichtig ist aber, dass es nicht bei gut klingenden Forderungen bleibt, sondern dass wir die Forderungen stark auf die Straße bringen und durchsetzen. Das erreichen wir nur, wenn Hochschulbeschäftigte Tarifverträge nicht länger als Selbstverständlichkeit begreifen und deren Durchsetzung als ihr ureigenes Interesse verstehen. Das geht nicht ohne eine Gewerkschaftsmitgliedschaft.
PUMA: Gut, dann vielen Dank für das Interview
Das Interview führte Markus Hermann