Die Corona-Pandemie hat Einiges verändert. Das merken wir auch im Arbeitsalltag. „Home Office“ und Telearbeit sind deutlich selbstverständlicher als zu Beginn der Pandemie. Mittlerweile gibt es sogar eine Dienstvereinbarung an der Philipps-Universität Marburg zum Mobilen Arbeiten und einen Tarifvertrag, der den Rahmen für Dienstvereinbarungen festlegt. Wie stehen die Beschäftigten zum Mobilen Arbeiten? Welche Erfahrungen haben sie während der Lockdowns gemacht? Und unter welchen Umständen kann Mobiles Arbeiten ein erfolgreiches Modell sein?
Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, lud ver.di vor dem Abschluss der jüngsten Tarifrunde die Beschäftigten der Philipps-Universität zu einer Online-Diskussionsveranstaltung unter dem Motto „Mobiles Arbeiten – Die Zukunft der Arbeit an der Philipps-Universität?“ ein. Über zwanzig Kolleg*innen folgten der Einladung zum Erfahrungsaustausch. Es wurde deutlich, dass die Erfahrungen recht unterschiedlich sind. Nicht zuletzt, da nicht alle Beschäftigten überhaupt von zu Hause aus arbeiten können.
Vorteile des Mobilen Arbeitens
Viele Beschäftigte berichten von den Vorzügen des Arbeitens von zu Hause aus. Der wegfallende Weg ins Büro und zurück sorgt für mehr Lebensqualität, da mehr Zeit für anderes bleibt, für Freizeit, Familie, Ehrenamt. Aber auch die Arbeit an sich kann von zu Hause aus deutlich ruhiger, konzentrierter und effizienter laufen, weil spontane Störungen im Büro ausbleiben.
Wer schon vor dem Lockdown auf einem Laptop gearbeitet hat, erlebte den Übergang zum Homeoffice als einfach. Bei der Arbeit von zu Hause aus stellte sich heraus, dass mehr Online-Meetings besser sind als zu wenige. Zwar kosten die Meetings Zeit, aber die bessere Kommunikation führt zu effizienterem Arbeiten.
… und Nachteile
Ein großer Minuspunkt ist das Ausbleiben der kollegialen Kontakte vor Ort. Durch den Wegfall des Flurfunks erhöht sich der Kommunikationsaufwand für die Arbeit, was zu einem Anstieg an E-Mails führt. Aber auch der persönliche Austausch fehlt, zum Beispiel beim gemeinsamen Mittagessen. Es wurde berichtet, dass einige Kolleg*innen sich während der Arbeit von zu Hause sehr zurückzogen.
Als problematisch nahmen die Beschäftigten wahr, dass manche Vorgesetzte unterstellen, im Homeoffice werde nicht genügend gearbeitet. Die Kolleg*innen fühlten sich mitunter stark kontrolliert. Zum Teil führte die Arbeit von zu Hause aus zu einer Doppelbelastung, da zum Beispiel Kinder beschult und betreut werden mussten.
Immer noch gibt es Kolleg*innen, die weiterhin vor Ort arbeiten müssen; dabei erledigen sie auch einiges der Arbeit von derjenigen mit, die ins Homeoffice wechselten. Es gibt also eine Ungleichbehandlung. Gegenüber den Sekretariaten besteht oftmals die klare Erwartung, dass diese immer im Büro anzutreffen sind, während der wissenschaftliche Mittelbau auch weiterhin vielfach recht flexibel von zu Hause aus arbeitet. Dabei gibt es auch im Sekretariatsbereich den Wunsch, nicht die komplette Zeit vor Ort präsent sein zu müssen.
Wie sieht gutes mobiles Arbeiten aus?
Der Erfahrungsaustausch hat gezeigt, welche Voraussetzungen gutes mobiles Arbeiten braucht. Dass es funktioniert, ist kein Selbstläufer, sondern setzt die richtigen Rahmenbedingungen voraus.
In den Berichten der Kolleg*innen wurde deutlich, dass der Wunsch nach klaren Regeln für mobiles Arbeiten besteht, damit man sich einfacher darauf einstellen kann.
Für die technische Seite gilt grundsätzlich: Mobiles Arbeiten kann nur gelingen, wenn die gesamte notwendige Hard- und Software zeitnah zur Verfügung steht. Dazu gehört auch, dass entsprechende Zugänge ermöglicht werden und zuverlässig funktionieren. Außerdem muss für die Beschäftigten klar sein, was beim mobilen Arbeiten erlaubt ist und was nicht. Welche Geräte dürfen benutzt werden? Welche nicht? So ist beim mobilen Arbeiten die Nutzung privater Geräte untersagt – ihr Einsatz darf daher vom Arbeitgeber auch nicht erwartet werden.
Eine besondere Herausforderung stellt sich für diejenigen, die mehrere Stellen an der Uni und damit auch mehrere Büros haben. Der Zugriff auf Netzlaufwerke ist an den jeweiligen Büro-Arbeitsplatz gebunden; es wäre besser, von beiden Arbeitsplätzen aus Zugriff auf alle relevanten Laufwerke zu haben. Dadurch entfielen lange Wege, um die Büros zu wechseln.
Manche der Fragen, die beim Mobilen Arbeiten auftreten, würden sich bei der Arbeit im Büro nicht oder nicht mehr stellen: Wann beginnt meine Arbeitszeit genau, wie funktioniert die Arbeitszeiterfassung und wann kann ich wie lang Pause machen? Diese Fragen müssen unbedingt vor Beginn des mobilen Arbeitens geklärt sein, die Antworten müssen später einfach zugänglich sein. Wenn dies nicht erfolgt, entsteht Unsicherheit und damit Stress.
Um einfache und sichere Arbeitsprozesse zu etablieren, müssen diese von den Endanwender*innen her gedacht werden. Bei welchen Dokumenten ist eine Unterschrift unbedingt erforderlich? Kann ich digital meinen Urlaub beantragen, kann ich von zu Hause auf die Daten der Zeiterfassung zugreifen? Beim Desksharing braucht es einfache Verfahren, um Arbeitsplätze und deren Belegung zu verwalten.
Gesucht: Unterstützungsangebote
Mobiles Arbeiten erfordert Technik, die zum Teil neu ist; Arbeitsabläufe müssen umgestellt werden. Um eine Mehrbelastung der Beschäftigten zu vermeiden, brauchen sie gute Unterstützungsangebote. Die Verantwortung bei der Anwendung der Software und vor allem im sicheren Umgang mit Daten dürfen nicht auf die Mitarbeiter*innen abgewälzt werden. Der Arbeitgeber kann nicht erwarten, dass die Beschäftigten sich in ihrer Freizeit darüber informieren, welche neuen Sicherheitsstandards einzuhalten sind.
Kolleg*innen mit Führungsverantwortung erfuhren während des Lockdowns, dass “Führen auf Distanz” anders funktioniert als das “Führen aus dem Dienstzimmer nebenan”. Bei dieser Personengruppe besteht daher ein großer Fortbildungsbedarf. Dieser Bedarf geht über die Ausnahmesituation während der Pandemie hinaus. So brauchen diese Kolleg*innen neue Instrumente und Fertigkeiten zur Klärung von Konflikten.
Beim mobilen Arbeiten ist es nicht mehr so einfach, sich schnelle Hilfe bei den Kolleg*innen im Büro nebenan zu holen. Gute Dokumentation der Arbeitsprozesse, aktuelle und leicht verständliche Hilfedokumente und gute Schulungen werden dadurch immer wichtiger. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Zielgruppen für solche Schulungsangebote. Nicht alle Beschäftigten müssen alles lernen. Aber alle Beschäftigten müssen in dem geschult werden, was sie für ihre Arbeit brauchen. Dann kann Arbeiten von zu Hause aus gelingen.