Meine Meinung: Es kommt darauf an, wen man fragt. Bilanz zum Wechsel der Unileitung

Wenn der Rausch der Amtsübergabe verflogen ist, beginnt das Aufrechnen. Die Präsidentin ist abgetreten, ein neues Team hat die Leitung der Philipps-Universität übernommen. Was bleibt von den vergangenen zwölf Jahren, wie schaut die Bilanz aus?

Es kommt ganz darauf an, wen man fragt. Wenn Professorinnen und Professoren oder die Hochschulpolitik meckern, heißt das für die Beschäftigten in Forschung und Lehre, Verwaltung und Technik noch gar nichts. Ja doch, die Zahl der Studenten und Studentinnen an der Uni Marburg liegt mittlerweile unter den Werten fast aller anderen hessischen Universitäten – vor zwölf Jahren sah das noch anders aus, auch das ist richtig. Na und? Für das Personal – egal, ob im wissenschaftlichen Mittelbau, in der Verwaltung oder bei der Betreuung der technischen Infrastruktur – bedeutet das zunächst einmal: Mehr Beschäftigte können bei weniger Studierenden eine intensivere Betreuung gewährleisten. Die anfallende Arbeit verteilt sich besser. Und die jungen Leute, etwa die eigenen Kinder, studieren anderswo doch genauso gut.

Oder die Forschung. Es stimmt ja, dass die abgetretene Hochschulleitung der Uni dreimal die strapaziöse Teilnahme am Exzellenzwettbewerb von Bund und Ländern zumutete. Dabei hatte der Soziologe Michael Hartmann bereits 2017, vor Ende der jüngsten Ausschreibung, bei einer ver.di-Veranstaltung in Marburg vorausgesagt: Das wird wieder nichts mit der Exzellenz für die Philipps-Universität. Das Verfahren bevorzugt nämlich sogenannte Cluster: Standorte mit einer Vielzahl wissenschaftlicher Spitzeneinrichtungen, die in Marburg fehlen.

Aber was Erfolg oder Misserfolg im Exzellenzwettbewerb für das Personal und die Beschäftigungsbedingungen bedeuten, lässt sich ebenso schwer ausmachen wie der Effekt auf Studium und Lehre. Denn einerseits erhöht sich das Ungleichgewicht innerhalb einer Hochschule, wenn einige wenige Bereiche die Exzellenzkrone erlangen und der Rest nicht; andererseits steigt in den erfolgreichen Abteilungen natürlich der Druck, bei der nächsten Förderrunde erneut gut abzuschneiden. Exzellenz führt zu Stress. Auch in der Forschung deckt sich das Fazit aus Beschäftigtenperspektive also nicht unbedingt mit der professoralen oder hochschulpolitischen Sicht.

Freilich, mit der Kanzler-Frage verhält es sich anders. Für die Beschäftigten ist es gewiss von Belang, wer die Verwaltung der Hochschule leitet und den Haushalt verantwortet. Es passiert nicht gerade oft, dass es die Uni Marburg bundesweit in die Schlagzeilen schafft. Der langjährige Amtsinhaber sorgte dafür: „Könnten Universitäten pleitegehen, Marburg stünde knapp davor“, schrieb zum Beispiel „Der Spiegel“ im Jahr 2012. Der Jahresabschluss der Uni wies damals ein Defizit von sagenhaften 29 Millionen Euro aus – rekordverdächtig! Der Haushaltsverantwortliche qualifizierte sich damit in den Augen seiner Vorgesetzten offenbar ausreichend für eine zweite Amtszeit, jedenfalls verlängerte die Präsidentin ein knappes Jahr danach den Vertrag ihres Kanzlers um weitere acht Jahre.

Man muss nicht gleich mit dem Einwand kontern, das alles habe zur Abhärtung beigetragen, die Uni fit gemacht für schwere Zeiten. Aber der desolate Haushalt ist das eine, die Verantwortung für das Personal das andere, und da lässt sich nicht jeder Missstand dem Kanzler zurechnen. Bis eine Personalumfrage ein belastbares Urteil darüber zulässt, wie förderlich die Arbeitsbedingungen an der Uni Marburg sind, lässt sich nur im Einzelfall bewerten, wie es um die Personalführung der abgetretenen Hochschulleitung bestellt war. Man frage einfach bei den Betroffenen nach.