Porträt: Peter Wadakur

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„Man muss überzeugt sein“

Der Geruch von Maschinenöl und Schweiß liegt in der Luft. Elektrowerkzeuge surren, Metall klirrt auf Metall. Im Jahr 1977 besteht das Hinterachsenwerk des Autobauers Ford in Düren erst seit Kurzem, als Peter Wadakur nach seinem Abitur dort Geld verdient, ehe er zu studieren beginnt. „Da ist mir erstmals die Kluft zwischen den Arbeitern und den studierten Betriebswirtschaftlern ins Auge gefallen“, erinnert er sich im Rückblick: „Hier die Männer an den Maschinen, dort die Anzugträger, die auf die anderen aufpassen.“

Das Erlebnis hat Peter Wadakur für sein ganzes Berufsleben geprägt, das ihn als Gewerkschaftssekretär zuerst zur Deutschen Angestellten-Gewerkschaft DAG führte, die später in ver.di aufging. „Mir gibt es etwas, anderen zu ihrem Recht zu verhelfen und sie darin zu unterstützen, sich zusammenzuschließen“, begründet er sein berufliches Engagement. Zwanzig Jahre lang betreute er unter anderem die ver.di-Betriebsgruppe an der Philipps-Universität, seit Februar genießt er seinen Ruhestand.

Ein halbes Jahrhundert nach dem Studentenjob im Achsenwerk sitzt Peter Wadakur in seinem Hüttenberger Garten und erzählt. Seine Frau macht sich mit dem Fahrrad auf zu Besorgungen, der jüngste Sohn kommt gerade vom Training zurück. Pascal teilt die Fußballbegeisterung seines Vaters, die beiden besuchen regelmäßig die Spiele der Frankfurter Eintracht. Seit 1983 lebt Peter Wadakur in Hessen. In Hüttenberg leitete er jahrelang die örtliche SPD, führte den erfolgreichen Wahlkampf für den späteren Bürgermeister.

Peter Wadakur hat sich auf das Interview vorbereitet, er hat alte Unterlagen herausgesucht, später wird er noch Fotos schicken. Bilder, Szenen, Situationen eines Berufslebens in der Gewerkschaft scheinen auf: Die Gassenhauer Giuseppe Verdis, die er bei einer Betriebsversammlung anstimmte; der Gewerkschaftssekretär mit Klampfe und langem Haar; brutale Angriffe gegen aktive Kollegen.

Nach seinem Ausflug in die Arbeitswelt bei Ford studiert Peter Wadakur Politologie in Hamburg. Schon bald engagiert er sich in der DAG-Jugend; er organisiert beispielsweise Fußballturniere aller Studentenwohnheime„Ich fand es wichtig, dass sich Arbeiter und Studenten gemeinsam engagieren“, erklärt er seine Motivation. Noch als Student tritt er 1980 der Gewerkschaft bei.

Nach dem Abschluss des Studiums erhält Peter Wadakur Ende 1983 seine erste Stelle bei der DAG in Wiesbaden, im Jahr darauf wechselt er nach Gießen. 20 Jahre später gehört die DAG zu den Verbänden, die ver.di gründen.

Die Arbeit als hauptamtlicher Gewerkschafter könne man nicht als einen Job ansehen wie andere Berufe, bekennt Peter Wadakur, „man muss das schon aus Überzeugung machen“. Unvergesslich bleibt ihm, wie der Geschäftsführer eines Möbelladens sein Auto in den Informationsstand der Gewerkschafter lenkte, „mein Kollege wäre um ein Haar verletzt worden“. Aber es gab auch viele positive Erlebnisse, etwa in den 1990er Jahren bei den Zivilangestellten der US-amerikanischen Streitkräfte: Damals  hielt die Gewerkschaft einen siebenwöchigen Ausstand durch – am Schluss stand ein guter Abschluss.

In den vergangenen Jahren hat Peter Wadakur eine oft einseitige Ausrichtung der Gewerkschaftsarbeit auf die Mitgliedergewinnung ausgemacht. Dabei sei es doch so: „Wenn man gute Aktionen macht, kommen auch neue Mitglieder.“ Man müsse den ganzen Lebenszusammenhang im Blick haben, nicht nur Tarif- und Betriebsratsarbeit. „Wir sind oft zu unpolitisch.“ Einen weiteren Trend erkennt er in der wachsenden Selbstausbeutung, die getrieben sei durch Personalknappheit und Arbeitsverdichtung. „Immer mehr Leute verhalten sich so, als ob der Betrieb ihre eigene Firma wäre.“

Natürlich kann ein Mensch wie Peter Wadakur auch im Ruhestand nicht davon lassen, sich sozial zu engagieren; so ist er in einer Kulturgenossenschaft aktiv, auf seinem Schreibtisch stehen Handarbeiten aus Tansania, deren Verkauf er für einen Selbsthilfeverein organisiert. Aber er genießt auch, dass er keine Termine mehr wahrnehmen muss; er besucht regelmäßig die Spiele der Frankfurter Eintracht, fährt viel Fahrrad, erst vor Kurzem  ist er von einer Reise ins südliche Afrika zurückgekehrt.

Den Kolleginnen und Kollegen an der Uni Marburg gibt er noch mit, wie wichtig der Zusammenhalt der verschiedenen Charaktere  bei den Vertrauensleuten und Personalräten sei. Vor allem aber dürfe man nicht vergessen: Gewerkschaftsarbeit soll auch Freude bereiten. „Mir hat es Spaß gemacht!“