Flurfunk: Großer Schluck

Klaus Gremmels verschüttet vor Schreck den Kaffee, als Lena Mack laut rufend an der Teeküche vorbeieilt. „Herr Gremmels, Herr Gremmels!“ Bis er sich in den Gang hinausbeugt und hinterherruft, ist sie schon fast an seiner Bürotür angelangt. „Hier bin ich, Frau Mack! Was schreien Sie denn so?“ Als Lena Mack zurückkommt, wedelt sie mit einem Blatt Papier. „Haben Sie das auch gekriegt?“ Gremmels besieht sich die braune Pütze, die der Kaffee auf dem Resopal hinterlassen hat. Er zieht eine Küchenschublade auf. „Die Lohnabrechnung. Was ist damit?“ Er fingert ein Küchentuch aus dem Fach. „Klar habe ich eine Lohnabrechnung erhalten. Kriegt man doch jeden Monat. Natürlich nicht diese, das ist ja Ihre.“

Mack winkt ab. „Schon, aber ich habe diesen Monat zwei bekommen. Stellen Sie sich das vor!“ Gremmels wischt die Kaffeepfütze auf. „Möchten Sie auch einen Kaffee?“ Er schwenkt die Warmhaltekanne. Mack schüttelt den Kopf. „Haben die Ihnen auch zwei geschickt?“ – „Weiß nicht. Ich schaue meistens gar nicht in den Umschlag. Um das Finanzielle kümmert sich bei uns meine Frau.“ – „Schauen Sie doch mal nach!“ – „Na gut.“ Klaus Gremmels tritt auf den Gang hinaus und geht mit langen Schritten zu seinem Büro.

Lena Mack schenkt Kaffee in eine Schale und nimmt einen großen Schluck. Als Gremmels zurückkommt, schaut sie von ihrem Schriftstück auf. „Und?“ – „Sie haben recht. Die haben für diesen Monat zwei Lohnabrechnungen versendet.“ Er hält in jeder Hand einen Brief. „Na und?“ Mack zieht die Brauen zusammen. „Was heißt da ‚na und‘! Doppeltes Monatsgehalt, das ist doch – das ist doch … toll ist das! Da ist dieses Jahr ja nochmal eine Reise drin! Was machen Sie denn mit dem Geld?“ Vor Aufregung schwappt ihr Kaffee über.

„Aber Frau Kollegin! Sie kriegen doch das Geld nicht doppelt, bloß weil die Abrechnung zweimal gekommen ist. Das ist doch bestimmt ein Fehler!“ – „Meinen Sie?“ – „Und wenn! Müssten wir doch sowieso zurückzahlen.“ Sie stellt die Schale ab, mitten in die Kaffeepfütze. „Wahrscheinlich haben Sie recht. Schade, ich hatte mich so gefreut. Ich könnte gut ein bisschen mehr Geld brauchen.“ Gremmels reicht ihr das benutzte Küchentuch. „Melden Sie sich doch bei Jauch an, oder spielen sie Lotto.“ Er geht hinaus.

Mack wischt mit dem Küchentuch den Kaffee von der Anrichte in ihre Schale. Sie beugt sich in den Gang hinaus und ruft ihm hinterher. „Wissen Sie, was das Gute an der Sache ist?“ Gremmels hält im Gehen inne und dreht sich um. „Ich habe gleich wieder Lust auf eine Reise bekommen. Ich brauche jetzt einfach ein günstigeres Angebot.“ Sie schnappt sich die Kaffeeschale und eilt zu ihrem Büro.